Die Zahl der Erwerbstätigen über 50 steigt. Unternehmen müssen Wege finden, von den Vorteilen des Alters zu profitieren, wenn sie wirtschaftlich nicht auf der Strecke bleiben wollen. Welche Vorteile das genau sind, warum Vorurteile nicht stimmen und wie Arbeitgeber ältere Mitarbeitende und Rentner für ihr Unternehmen finden, erfahren Sie hier.
In unserer Gesellschaft herrscht ein regelrechter Jugendwahn. Alles dreht sich darum, möglichst lange gegen die Spuren des Alters zu kämpfen und mit neuen Trends mitzuhalten. Ältere Menschen sind auf Werbeplakaten und in den Medien noch immer weniger sichtbar. Und auch in der Arbeitswelt wird Älteren das Gefühl vermittelt, weniger leistungsfähig und gefragt zu sein.
In der vom Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft e.V. herausgegebenen Veröffentlichung “Die Deutsche Wirtschaft und der demografische Wandel - Lebensphasenorientierte Personalpolitik” (2012) heißt es:
“Es haben sich bislang keine gesellschaftlichen Visionen entwickelt, deren Mittelpunkt Ideen bilden, wie unsere Gesellschaft das Humanvermögen älterer Menschen in der Arbeitswelt und in der Zivilgesellschaft konstruktiv nutzen kann. Ältere Menschen selbst fühlen sich im öffentlichen Raum noch nicht ausreichend als mitverantwortlich handelnde, kompetente Bürgerinnen und Bürger angesprochen.”
Ein gutes Jahrzehnt später haben Menschen über 50 bei der Stellensuche noch immer geringere Chancen, als jüngere Bewerber. Viele Unternehmen nutzen auch noch nicht die großen Chancen, die darin liegen, Rentner einzustellen, die neben dem Ruhestand noch arbeiten möchten.
Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist keine Seltenheit
Altersdiskriminierung ist ein weit verbreitetes Phänomen. Laut dem "Global Report on Ageism" der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit etwa die Hälfte der Erwachsenen voreingenommen gegenüber älteren Menschen. In Europa berichtet ein Drittel der älteren Bevölkerung von Erfahrungen mit Altersdiskriminierung.
Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann jeder fünfte Deutsche eine Situation nennen, in der er wegen seines Alters benachteiligt wurde.
Insbesondere bei der Stellenbesetzung ist Altersdiskriminierung ein ernstes Problem. Laut einer Studie des Jobportals Indeed sehen mehr als ein Viertel der Personaler Fachkräfte über 60 Jahren als generell zu alt an. Schon Ü50-Jährige werden vermehrt aussortiert.
Die Vorurteile führen dazu, dass ältere Arbeitnehmer trotz ihrer fachlichen Qualifikation geringere Chancen auf eine neue Beschäftigung haben.
Dabei nimmt das Durchschnittsalter in Deutschland immer mehr zu, während sich die Zahl junger Menschen verringert. Schon jetzt hat Deutschland einen der geringsten Anteile unter 18-Jähriger und eine der ältesten Bevölkerungen in Europa.
Für Diversität, gegen den Fachkräftemangel: Warum ältere Mitarbeitende wichtig sind
In zahlreichen Branchen bekommen deutsche Unternehmen den Fachkräftemangel deutlich zu spüren. Aufgrund des demografischen Wandels gibt es immer weniger junge Menschen, die diese Lücken füllen können.
Dem gegenüber stehen Millionen Menschen aus der sogenannten Babyboomer-Generation. Sie sind zwischen 1946 und 1964 geboren und sind bereits in Rente oder stehen kurz davor. Manche von ihnen wurden von ihren Arbeitgebern bewusst in den Vorruhestand geschickt, um Platz für Jüngere zu machen. Jetzt fehlen sie am Arbeitsmarkt.
Mittlerweile möchten viele Best Ager sogar von sich aus länger arbeiten. Rentnerinnen und Rentner suchen ebenfalls immer häufiger nach Möglichkeiten, sich neben dem Ruhestand etwas dazuzuverdienen. Denn nicht immer reicht die Rente und manche möchten schlichtweg fit bleiben und etwas zu tun haben.
Erfolg durch altersgemischte Teams
Unternehmen, in denen Teams verschiedenster Altersklassen, Ethnien und Geschlechtsidentitäten zusammenarbeiten, sind erfolgreich. Zahlreiche Studien beweisen, dass Diversität sich äußerst positiv auf die Produktivität, Effizienz und Profitabilität von Betrieben auswirkt.
Dazu zählt auch Altersheterogenität, unter anderem, weil in altersgemischten Teams eben die Stärken der verschiedenen Generationen eingebracht werden.
Ältere Menschen sind also nicht nur erfahrene Fachkräfte für die dringend notwendige Stellenbesetzung. Sie sind auch eine Bereicherung für die Arbeitskultur und Teamdynamik. Welchen Mehrwert sie konkret mitbringen, erfahren Sie gleich.
Wir erklären in vier Schritten, wie Arbeitgeber sich dieser wertvollen Zielgruppe annähern können, wie sie von ihr profitieren und wie sie Best Ager für ihren Betrieb finden.
Schritt 1: Vorurteile ablegen
Um den Blick für die Vorteile älterer Mitarbeitender zu öffnen, ist es wichtig, sich zunächst mit möglichen Vorurteilen auseinanderzusetzen.
Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern:
- Sie sind langsam.
- Sie haben mehr gesundheitliche Probleme.
- Sie haben zu hohe Gehaltswünsche.
- Sie können sich schlechter an neue Technik anpassen.
- Sie machen nur noch Dienst nach Vorschrift.
Beschäftigt man sich näher mit diesen Vorbehalten, stellt man ganz schnell fest: Sie sind in den meisten Fällen unbegründet oder undifferenziert und lassen sich ganz schnell entkräften.
Zu langsam?
Es stimmt, dass gewisse kognitive Fähigkeiten wie Informationsverarbeitung und Lernfähigkeit mit dem Alter abnehmen. Doch es stimmt auch, dass Ältere diesen Umstand durch ihre Erfahrung und ihren Wissensschatz ausgleichen.
Man kann also nicht pauschal sagen, dass ältere Mitarbeitende langsamer sind als jüngere. Ihr Wissen ermöglicht es ihnen außerdem, Probleme schneller zu erkennen und zu verstehen, Ideen zu entwickeln sowie kreativ zu agieren.
Tätigkeiten, die ihren Kompetenzen entsprechen, können Best Ager mit großer Routine und Effektivität erledigen. Und eine Aufgabenverteilung entsprechend den Stärken jedes Teammitglieds sollte sowieso Ziel jeder Führungskraft sein.
Zu oft krank?
Dass ältere Mitarbeitende per se häufiger krank sind als jüngere, ist längst widerlegt. 2005 ging beispielsweise aus einer AOK-Studie hervor, dass die Älteren sogar etwas seltener krank gemeldet waren.
53 Prozent der Arbeitnehmer bis 24 Jahre waren demnach mindestens einmal im Jahr krank. Im mittleren Alter waren es dagegen nur 50 Prozent. Auch das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung evaluierte im Jahr 2021, dass junge Menschen am Arbeitsplatz öfter ausfallen.
Wenn sie krank sind, fehlen ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lediglich etwas länger, wie der Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen (BKK) 2017 ergab.
Aufgrund unseres Lebensstandards und des medizinischen Fortschritts sind Menschen höheren Alters heute fitter denn je. Und was normale Alterserscheinungen wie Verminderung der Seh- und Hörkraft betrifft, gibt es inzwischen genügend Hilfsmittel.
Zu teuer?
Sicher, ein Arbeitnehmer mit 20 Jahren Berufserfahrung möchte mehr verdienen als ein Berufseinsteiger. Dafür bringt er aber eben auch wesentlich mehr Erfahrung mit. Das spart Zeit und damit Kosten bei der Einarbeitung.
Zudem ist es weniger wahrscheinlich, dass ältere Beschäftigte die Firma verlassen. Sie sind oft loyal und haben ihre Familienplanung abgeschlossen, sodass sie keine Auszeiten aufgrund von Schwangerschaften oder Elternzeiten benötigen.
Da Neueinstellungen oder die Suche nach entsprechenden Vertretungen ein riesiger Kostenfaktor für Unternehmen sind, können ältere Arbeitnehmer oder Rentner auch hier für finanzielle Stabilität sorgen.
Nicht technikaffin?
Es wäre vermessen, älteren Menschen grundsätzlich Technikverständnis abzusprechen. Der Umgang mit Computern ist schließlich schon lange Alltag. Die meisten Rentner von heute gehören bereits zu der Generation, die IT und elektronische Datenverarbeitung schon zu Beginn ihrer Karriere kennengelernt haben. Zahlreiche von ihnen nutzen heutzutage ein Smartphone, um über Messenger und Videotelefonie mit ihren Enkeln zu kommunizieren. Soziale Medien und Streaming-Plattformen gehören mittlerweile zur Lebenswelt allers Altersgruppen.
Was sollte also dem Erlernen neuer Programme und dem Umgang mit Technik auch im hohen Alter entgegenstehen?
Unmotiviert?
In vielen Köpfen existiert das Klischee des grauhaarigen Beamten, der stumpf Dienst nach Vorschrift macht und seine Zeit bis zur Pensionierung absitzt. Die Annahme, dass Ältere sich nicht mehr engagieren, ist jedoch falsch.
Ganz im Gegenteil identifizieren sich langjährige Mitarbeitende häufig ganz besonders mit ihrem Unternehmen. Rentner, die sich nebenbei etwas dazuverdienen, haben diese Aufgabe bewusst gewählt und sind dankbar für die Möglichkeit. Motivation hängt letztlich nicht vom Alter ab, sondern von der Arbeitsatmosphäre und -kultur.
Schritt 2: Vorteile älterer Arbeitnehmer erkennen
Mitarbeitende höherer Altersklassen sind in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung. Natürlich ist jeder Mensch unterschiedlich und nicht jede Fähigkeit ist bei allen gleich ausgeprägt. Dennoch bringt die Generation 50plus oft besondere Eigenschaften in den Arbeitsalltag mit ein.
Besondere Stärken älterer Beschäftigter:
- Sie verfügen über einen großen Erfahrungsschatz.
- Sie geben Wissen weiter und übernehmen Vorbildfunktionen.
- Sie sind gut vernetzt.
- Sie gehen strukturierter und pragmatischer mit Problemen um.
- Sie sind zuverlässig und diszipliniert.
- Sie sind verantwortungsbewusst, loyal und engagiert.
- Sie verfügen über gute Kommunikationsfähigkeiten und hohe Sozialkompetenz.
- Sie genießen das Vertrauen von Kunden.
Die weitreichende Erfahrung und das Wissen, dass sich ältere Erwerbstätige über die Jahre aneignen, ist für Unternehmen von unschätzbarem Wert. Außerdem geben diese Kollegen ihr Wissen meist gerne weiter. Oft fungieren sie sogar als Mentorinnen und Mentoren. Der Wissenstransfer sollte eine zentrale Rolle in der Personalpolitik spielen, um sicherzustellen, dass wertvolles Know-how nicht verloren geht.
Nicht nur fachlich, sondern auch persönlich bringen reifere Mitarbeitende spezielle Stärken und Werte mit ein. Sie haben verschiedenste Situationen erlebt und Konflikte gelöst. Das führt dazu, dass sie Probleme pragmatisch, gelassen und vorausschauend angehen. Jüngere Arbeitnehmer müssen sich diese Souveränität erst noch erarbeiten.
Hinzu kommt eine Arbeitsmoral, die sich durch Disziplin, Qualitätsbewusstsein, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit auszeichnet. Außerdem sind ältere Arbeitnehmer meist nicht auf der Suche nach neuen Karrieremöglichkeiten und legen weniger Konkurrenzdenken an den Tag. Ihre sozialen Kompetenzen sorgen für Stabilität und gute Kommunikation im Team.
Oftmals schätzen Kundinnen und Kunden älterer Semester den Kontakt mit Menschen ihrer Altersklasse. Ältere im Unternehmen helfen also, das Vertrauen dieser Kunden zu gewinnen und eine langfristige Bindung aufzubauen.
Schritt 3: Altersgerechtes Arbeiten und Integration älterer Mitarbeiter in den Betrieb
Mitarbeiterzufriedenheit und Gesundheitsschutz für alle Altersklassen sind zunächst universelle Faktoren für den Unternehmenserfolg. Im Hinblick auf die Generation 50plus bedeutet dies für Arbeitgeber, die entsprechenden Maßnahmen auf die Bedürfnisse älterer Teammitglieder anzupassen.
So erleichtert man älteren Mitarbeitenden die Arbeit:
- Gesundheitsfördernde Maßnahmen, beispielsweise: ergonomischer, ruhiger Arbeitsplatz; regelmäßige Pausenzeiten sicherstellen; Rückzugsräume
- Gesundheitsprävention, beispielsweise: Fitnesskurse; Angebote zum Stressabbau
- Flexible Arbeitszeiten, beispielsweise um familiäre Verpflichtungen wahrzunehmen
- Reduzierte Arbeitszeit, beispielsweise durch Teilzeit oder Minijob
- Weiterbildung im Alter fördern und spezielle Angebote bieten (mögliche Förderung durch die Agentur für Arbeit, z. B. zur beruflichen Eingliederung oder zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit)
- Sensibilisierung von Führungskräften für Altersdiversität und altersgerechtes Arbeiten
- Altersgemischte Teams zusammenstellen
- Demografiebeauftragte ernennen
Eine altersdiverse Personalpolitik trägt dazu bei, die Integration und Gesunderhaltung älterer Beschäftigter zu fördern. Eine kritische Betrachtung, welchen Beitrag der Betrieb zur Förderung älterer Mitarbeitender und zur Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze leistet und wo Verbesserungspotenziale liegen, ist hierbei von großer Bedeutung.
Weiterhin spielt die gründliche Analyse der Altersstruktur im Unternehmen und eine Prognose für die nächsten fünf bis zehn Jahre eine essenzielle Rolle. Letztere ermöglicht es Arbeitgebern, rechtzeitig auf demografische Veränderungen in der Firma zu reagieren.
Positivbeispiele: Diese Unternehmen nutzen die Vorteile des Alters
Einige Firmen wenden bereits gezielte Maßnahmen an, um ältere Beschäftigte zu gewinnen und mit ihren Stärken ihre Zukunft zu sichern.
So hat beispielsweise Bayer gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern die Gesamtbetriebsvereinbarung "Lebensarbeitszeit und Demografie" implementiert. Diese Vereinbarung berücksichtigt in hohem Maße die Interessen älterer Beschäftigter. Sie schafft Voraussetzungen für eine lange und aktive Teilhabe am Erwerbsleben. Beispielsweise haben Tarifbeschäftigte in voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschicht ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf bis zu 20 schichtfreie Tage im Jahr.
Die Unternehmen Daimler und Bosch haben Senior-Experts-Programme ins Leben gerufen. Diese ermöglichen ehemaligen Mitarbeitern, ihr Fachwissen an jüngere Kollegen weiterzugeben.
So hat Bosch über 2.400 registrierte Seniorexperten weltweit, die zusammen mehr als 50.000 Jahre Arbeitserfahrung repräsentieren. In einer Zwischenbilanz von Daimler zeigte sich, dass über 11.000 Arbeitstage lang Know-how vor allem in den Bereichen Produktion, Forschung und Entwicklung, IT und Vertrieb zur Verfügung gestellt wurde.
Andere renommierte Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Lufthansa, SAP, BASF oder BMW setzen mit entsprechenden Fördermaßnahmen oder Expertenprogrammen ebenfalls auf Best Ager.
Schritt 4: Recruiting älterer Fachkräfte und Rentner
Für die Personalgewinnung nutzen Betriebe größtenteils Maßnahmen, die vor allem Berufseinsteiger und junge Talente ansprechen. Einige davon, wie Praktika und Jobmessen, kommen für ältere Arbeitssuchende von vornherein eher nicht infrage.
Und auch Online-Jobbörsen erreichen nicht jede ältere Fachkraft, die potenziell geeignet wäre. Zum Teil wirken die unübersichtlichen Stellenangebote mit ihren vielfältigen Anforderungen und neuartigen Bewerbungsprozessen abschreckend auf ältere Semester. Viele rechnen sich zu geringe Chancen aus oder haben schlichtweg keine Lust auf einen Bewerbungsmarathon. Rentner finden zudem kaum Informationen, ob die ausgeschriebenen Stellen auch für sie geeignet sein könnten bzw. ob das Unternehmen dafür offen ist.
Rentner und Ältere bewusst in der Recruiting-Strategie zu berücksichtigen, eröffnet Unternehmen neue Chancen und einen großen Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte.
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Bei der Wahl des passenden Bewerbers sollte es in erster Linie um fachliche und menschliche Kompetenzen gehen. Ältere Arbeitnehmer stehen jüngeren dabei um nichts nach. Um ihre großen Potenziale optimal zu nutzen, müssen Unternehmen für Mitarbeiterzufriedenheit und Gesundheitsschutz sorgen. Diese Maßnahmen sollten allerdings ohnehin selbstverständlich sein, denn sie hängen nicht vom Alter ab. Die Integration älterer Beschäftigter in den Betrieb ist also keinesfalls eine zusätzliche Belastung, sondern aufgrund ihrer vielfältigen Vorteile eine Investition in die Zukunft.
Friederike Bloch